Rückblicke

70 Jahre KZ Walldorf

„Dieses Bild vergisst man nicht“
Gedenken – Die Margit-Horváth-Stiftung erinnert an das vor 70 Jahren aufgelöste KZ-Außenlager in Walldorf

Aus dem Rüselshemr echo vom 24.11.2014

Am Totensonntag hat die die Margit-Horváth-Stiftung mit einer Veranstaltung an die Auflösung der KZ-Außenstelle in Walldorf vor 70 Jahren erinnert. Zugleich gab es den symbolischen Spatenstich für den Bau einer neuen Gedenkstätte.
WALLDORF.

Rund 350 Menschen versammelten sich am Sonntagnachmittag rund um die Ausgrabungsstelle des ehemaligen KZ-Außenlagers im Wald nördlich des Walldorfer Industriegebiets. An das Grauen wollte man sich erinnern und nichts davon vergessen. Einzelne Besucher warfen Rosen auf ein Netz, das großflächig über die Überreste des sogenannten Küchenkellers gespannt war.

Zum Gedenktag an der KZ-Außenstelle hatte die Margit-Horváth-Stiftung geladen, um an die Frauen zu erinnern, die in Walldorf interniert waren. 1700 ungarische Jüdinnen, 1944 nach Deutschland verschleppt, um unter qualvollen Bedingungen Zwangsarbeit beim Bau einer betonierten Rollbahn für den Frankfurter Flughafen zu verrichten.

Im November 1944 war das Lager aufgelöst worden, die Frauen kamen in das KZ Ravensbrück. Viele starben dort, andere wurden weiter transportiert und kamen dabei ums Leben. Nur 330 von ihnen überlebten die Tortur – eine davon war Margit Horváth.

Die Margit-Horváth-Stiftung, deren Vorsitzende Cornelia Rühlig die bewegende Gedenkveranstaltung im Wald organisiert hatte, kümmert sich darum, das Gedenken an diesen Ort des Grauens wachzuhalten. Zugleich schlägt sie immer wieder die Brücke in die heutige Zeit, macht auf Ausgrenzung von Minderheiten aufmerksam und bietet Projekte an, in denen sich junge Menschen für Würde und Menschenrechte engagieren.

Unheilvoll klagend ertönte Klarinettenmusik aus dem Wald. Texte klangen durch die Luft. Die Sprecher standen an Mikrofonen rund um die ehemalige Küchenbaracke, in der die 1700 ungarischen Jüdinnen gequält und misshandelt wurden. „Der Lagerführer hatte immer eine Peitsche in der Hand“, hörte man da. „Manchmal hat er auch einer von uns befohlen, dass sie eine andere schlagen musste. Das war das Schlimmste für uns.“ Schülerinnen lasen aus den Aufzeichnungen der jungen inhaftierten Mädchen und Frauen. „Die Kälte war das Schlimmste im Lager. Wir hatten nur ein dünnes Kleid, keine Strümpfe und viele von uns hatten auch keine Schuhe.“

Zeitzeuge Wilhelm Jourdan aus Walldorf las eigene Erinnerungen: „Ich war acht oder neun Jahre alt und mit der Mutter im Wald zum Holzholen. Da hab ich sie gesehen. Das Bild dieser schmalen jungen Mädchen mit den kahl geschorenen Köpfen – das vergisst man nicht.“

Zu Wort kamen viele Menschen, die ihre persönlichen Gedanken vorlasen, ihre Wut, ihre Ohnmacht und Betroffenheit über den „Holocaust vor der Haustüre“. Zahlreiche Plädoyers waren zu hören für den Mut, sich gegen Unrecht zu wehren, es aufzudecken und öffentlich zu machen.
Schilderungen machen betroffen

Besonders bewegend war die Rede von Jossy Oswald, der vor 40 Jahren das KZ Walldorf mit seinen Freunden Alfred J. Arndt und Gerd Schulmeyer auf einer Lagerkarte entdeckt hatte. Auch Katja Schülers Brief an ihre Oma Lili Blau, eine der Überlebenden des Lagers, machte betroffen.

Schüler der Bertha-von-Suttner-Schule in Mörfelden-Walldorf, der Ricarda-Huch-Schule in Dreieich, der Prälat-Diehl-Schule in Groß-Gerau sowie der Dreieich-Schule in Langen waren bei der Veranstaltung dabei. Am Ende dankte Bernhard Brehl, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung, allen Beteiligten und Sponsoren.

Minister Axel Wintermeyer (CDU), Chef der Hessischen Staatskanzlei, betonte bei der Gedenkfeier, bei den vielen Krisen auf unserem Globus sei die Demokratie täglich in Gefahr. Es sei daher keine Selbstverständlichkeit, sich für Frieden, Freiheit, Menschenrechte und -würde einzusetzen. „Das sind Steine, die Geschichten erzählen“, bemerkte er mit Blick auf die Ausgrabungen.

Ein symbolischer erster Spatenstich markierte den Baubeginn für das geplante Infozentrum der Margit-Horvath-Stiftung. So wie das Dach künftig die Ruinen schützen soll, war ein Netz in der Schräge gespannt worden – das zum Schluss angehoben wurde: ein beeindruckendes Bild, passend zu einer Gedenkstunde mit Nachklang.

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